Cochemer Modell
Interdisziplinäre Schlichtungspraxis im Familiengericht bei Trennung und Scheidung. Die Einführung der „Cochemer Praxis“ im Zuständigkeitsbereich der Stadt Konstanz
Ab dem 01. November 2006 führen das Familiengericht Konstanz, das Sozial und Jugendamt der Stadt Konstanz, die Psychologische Beratungsstelle der ev. Kirche und die Psychologische Beratungsstelle des Landkreises in Zusammenarbeit mit engagierten Rechtsanwälten die sog. „Cochemer Praxis“ im Familienrechtsverfahren ein. Alle beim Familiengericht Konstanz eingehenden strittigen Anträge um Sorgerecht, Aufenthalt des Kindes und Umgang des Kindes mit den Eltern werden in Zukunft nach diesem Modell bearbeitet.
Dabei steht der Beratungsprozess mit dem Appell an die Eltern, ihre elterliche Verantwortung gemeinsam zu gestalten und eine einvernehmliche Lösung für ihren Konflikt zu finden, im Mittelpunkt des Verfahrens. Die Eltern werden von allen beteiligten Professionen unterstützt und wiederholt aufgefordert sich zu einigen und eine akzeptable Lösung für alle zu finden.
Nach der „Cochemer Praxis“ wird das Verfahren wie folgt verlaufen:
Der beteiligte Rechtsanwalt stellt im Konfliktfall einen entsprechenden Verfahrensantrag beim Familiengericht Konstanz. Die anwaltliche Gegenseite wird gebeten, dem Gericht keine schriftliche Erwiderung vorzulegen. Binnen 14 Tagen wird das Familiengericht einen Anhörungstermin anberaumen, in dem alle Beteiligten ausführlich Stellung nehmen können.
Vor diesem Anhörungstermin führt eine Mitarbeiterin des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) des Sozial und Jugendamtes Konstanz nach Terminabsprache bei beiden Elternteilen einen Hausbesuch durch, bei dem auch das betroffene Kind anwesend sein soll.
In diesen Gesprächen werden die Eltern über den Verlauf des Verfahrens nach der „Cochemer Praxis“ ausführlich informiert und motiviert, bereits im Vorfeld eine einvernehmliche Regelung zu finden.
Ist im Anhörungstermin keine Einigung der Eltern möglich, lässt das Familiengericht das Verfahren gem. § 52 a FGG ruhen. Die Eltern werden aufgefordert bei den o.g. psychologischen Beratungsstellen eine Beratung in Anspruch zu nehmen. Die Beratungsstellen sichern das erste Beratungsgespräch innerhalb der nächsten 14 Tage nach dem Anhörungstermin beim Familiengericht zu.
In der Beratung erhalten die Eltern nochmals unter professioneller Anregung die Möglichkeit, ihre Konflikte zu überwinden und eine tragfähige Lösung zur Ausgestaltung ihrer elterlichen Verantwortung zu finden. In der Regel wird nach Beendigung der Beratung ein gemeinsamer Elternvorschlag in einem weiteren Termin vor dem Familiengericht formell vereinbart. Der Beratungsprozess soll in der Regel nicht länger als drei Monate dauern.
In Verfahren wegen Umgangs wird gleichzeitig nach Möglichkeiten gesucht, den ausgesetzten Umgang so schnell wie möglich auch für die Übergangszeit der Beratung wiederherzustellen.
Erscheint eine Einigung der Eltern im Beratungsprozess nicht möglich zu sein, so wird das Scheitern der Beratung dem Familiengericht umgehend mitgeteilt. Dieses entscheidet über das weitere Vorgehen, insbesondere darüber, ob die Erziehungseignung der Eltern durch ein psychologisches Sachverständigengutachten bewertet werden muss. In diesem Fall entscheidet das Gericht durch Beschluss am Ende des Verfahrens.